Interview führte der FB internationaler Sport VDD
FB: Eigentlich kennt Dich ja jeder, der was mit Distanzreiten „am Hut“ hat. Du bist Deutsche Meisterschaften, Europameisterschaften, Weltmeisterschaften mitgeritten, Du gehörtest 2023 mit Aid du Florival bei der EM in Ermelo 2023 zum Bronzeteam, 2010 bist Du mit El Wa Ha Kimja zum Deutschen Meisterschaftstitel geritten undundund.
FB: Du bist ab diesem Jahr neue Teamtierärztin der deutschen Distanzreiter. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Posten! Bitte schreib kurz was über Dich.
Dr. vet. Ursula Klingbeil: Im Laufe der Jahre habe ich alle Facetten dieses Reitsports kennengelernt. Ich war oder bin Reiter, Trainer, Organisator, Equipechef, FEI-Tierarzt, FEI-Richter, und jetzt kommt noch eine neue Herausforderung als Teamtierarzt der deutschen Distanzreiter dazu.
FB: Wir haben mit 9 potenziell möglichen Championatspaaren eine schon lange nicht mehr dagewesene Auswahl.
5 Paare dürfen mit nach Italien. 5 Paare dürfen auf die 160 km lange Strecke. Wie trifft man die Auswahl der Reiter-Pferd-Paare, die mit zur EM fahren?
Dr. vet. Ursula Klingbeil: Das ist tatsächlich gar nicht so einfach. Seit diesem Jahr gelten neue Qualifikationskriterien, die unter anderem durch die Mitarbeit engagierter CEI-Reiter und Equipchefin Annette Kaiser gegenüber dem DOKR vertreten werden konnten. So haben die Reiter eine freie Rittwahl bei den Ritten, die für die Qualifikation gelten. Bei Formüberprüfungsritten gibt es zusätzlich Tempovorgaben. Wünschenswert ist es, dass die Qualifikation, wenn möglich, auf Strecken, die der Championatsstrecke ähneln, erritten wird.
Daraus ergibt sich eine nicht rangierte Longlist. Aus diesem Pool wird dann auf einer Sichtung der Vorschlag der Shortlist erarbeitet, dem allerdings der Exekutivausschuss des DOKR zustimmen muss. Folgende Parameter werden dabei beachtet:
Wo war der Qualifikationsritt? War das Geläuf ähnlich der EM-Strecke? Wie sicher ist das Pferd-Reiter-Paar geritten? Mit welchem Tempo wurde gefinisht, bzw. wurde die vorgegebene Mindestgeschwindigkeit eingehalten? Wie waren die Parameter des Pferdes (Metabolik)? Wie ist die Erfahrung des Teams? Wie konstant war die Leistung? Gesundheitliche Kriterien und Laborergebnisse spielen hier ebenso eine Rolle wie die Teamfähigkeit.
Nico Hörmann, Annette Kaiser und ich haben diese Sichtung am 3. + 4. Mai in Warendorf durchgeführt. Sabrina Arnold als Aktivensprecherin wäre auch im Sichtungsteam, wenn sie nicht selber als Reiterin in der Auswahl wäre. Sie war aber anwesend, um auch der Perspektivgruppe Tipps aus ihrem reichen Erfahrungsschatz zu geben.
Am 15.5. ist der späteste Termin, an dem die Longlist bei der FEI bekannt gegeben werden muss. Bereits am 4.6. muss sich das DOKR für eine Shortlist aus 5 Reiter-Pferd-Paaren inkl. 2 Reservepaaren entscheiden.
FB: Du bist 2024 in Castiglione del Lago einen 120 km CEI2*-Ritt geritten. Was kannst Du zu der Strecke sagen?
Dr. vet. Ursula Klingbeil: Letztes Jahr gab es einen Vortrag auf dem Aktiventreffen über den Ritt. Die Championatsstrecke ist nicht ganz einfach, ca. ein Drittel der Strecke ist steinig und mit nicht unerheblichen Steigungen. Der Hinweg auf jedem Loop geht stetig bergauf, ab dem Point of Return geht es auf relativ gutem Boden wieder abwärts und die Reiter könnten versuchen, hier Tempo zu machen.
FB: Nun geht es mit großen Schritten auf die EM am 21.06.2025 in Castiglione del Lago/Italien zu. Existenziell ist da vor allem der Gesundheitszustand der Pferde. Wie wird dieser sichergestellt?
Dr. vet. Ursula Klingbeil: Der regelmäßige Kontakt ist hier das Wichtigste. Vertrauen und Offenheit im Team sind essenziell. Die Reiter, Trainer, Besitzer bzw. die ganzen Teams sind sehr gewissenhaft. Die Stimmung ist schon jetzt sehr, sehr gut.
FB: Wie kann man sich die Betreuung der Pferde durch Dich als Teamtierarzt im Vorfeld und vor Ort eines solchen Championats vorstellen?
Dr. vet. Ursula Klingbeil: Neben den Sichtungsritten und dem Sichtungslehrgang in Warendorf findet die Kommunikation vor allem über WhatsApp und telefonisch statt. Ich bekomme z. B. Blutbefunde der Pferde, Vortrabvideos etc. und bespreche diese mit dem Reiter, Besitzer bzw. Trainer. Seit diesem Jahr hat jeder Reiter seinen eigenen OneDrive-Ordner, in dem alle Informationen gespeichert werden. Das Ziel ist ja eine langfristige Teilnahme an Championaten.
FB: Was läge Dir selbst noch am Herzen als Schlussplädoyer?
Dr. vet. Ursula Klingbeil: Ich möchte noch einmal betonen, wie wichtig es ist, dass interessierte und zukunftsträchtige Reiter-Pferd-Paare sich bei uns melden und mit uns das weitere Vorgehen besprechen. Wir versuchen weiterhin, Lehrgänge in Warendorf anzubieten, würden uns aber auch freuen, wenn das Interesse da wäre. Die gemeinsame Arbeit an einem tollen Distanzsport liegt uns allen sehr am Herzen. So auch die weiterführende Hilfe für potenzielle CEI-Reiter und CEI-Reiter zum z. B. CEI2*-Level und höher.